Mit bis zu zwei Tonnen Körpergewicht und einer Länge von über 5 Metern, ist der Europäische Hausen die größte von insgesamt 25 bekannten Stör-Arten. Er ist zudem die größte Süßwasserfischart Europas und gilt als eine der weltweit größten Knochenfische (Osteichthyes ). Mit einem Höchstalter von mehr als 150 Jahren gehört er zu den langlebigsten Wirbeltieren. Die Rote Liste der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (kurz IUCN) stuft diese bemerkenswerte Fischart, die seit rund 200 Millionen Jahren die Meere besiedelt, als „vom Aussterben bedroht“ ein. Nennenswerte Bestände kommen nur mehr im Schwarzen Meer und in der Unteren Donau vor. In der Mittleren Donau und Oberen Donau ist der Hausen bereits ausgestorben, beziehungsweise verschollen. Als Ursachen werden vor allem die rücksichtslose Überfischung, die Defizite in der Ausstattung seines Lebensraumes und die Fragmentierung desselben durch Kraftwerke diskutiert.
Namensgebung
Der Europäische Hausen – besser bekannt als Belúgastör – ist eine der zwei Arten aus der Gattung der Hausen und wird der Familie der Störe (Acipenseridae) zugeordnet. Seinen wissenschaftlichen Doppelnamen Huso huso verdankt er dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné. Nach Johann Christoph Adelung ist das lateinische Wort huso eine Lehnübersetzung des althochdeutschen, volkstümlichen Namens hūso, der sich wiederum auf das türkische Wort usun [zu dt. „lang“] zurückführen lässt.
Verbreitung und Vorkommen
Wie der Lachs, verbringt dieser anadrome Wanderfisch den Großteil seines Lebens im Meer und zog einst hunderte bis tausende von Kilometern in die größeren Zuflüsse zum Laichen hinauf: Damit gehört er zu den Langdistanzwanderern. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet dieser salzwassertoleranten (peripheren) Süßwasserfischart umfasste die Adria, das Schwarze Meer, das Asowsche Meer und den Kaspisee (auch Kaspisches Meer genannt) sowie deren größere Zuflüsse. Nennenswert sind nur noch die Bestände im Schwarzen Meer und der Unteren Donau. Eine natürliche Reproduktion ist zudem aus dem Ural bekannt. Verschwunden ist der Hausen aus der Adria und dem Asowschen Meer sowie aus der Oberen und Mittleren Donau. Die Hausenbestände der Wolga werden durch Besatz erhalten.
Merkmale
Der Europäische Hausen hat eine langgestreckte, spindelförmige und massive Körperform. Auffallend ist seine – wie beim Hai – nach oben gebogene Wirbelsäule, die den oberen Teil der (heterocerken) Schwanzflosse stützt. Rücken, Körperflanken und die Bauchseite sind mit Längsreihen aus Knochenschildern bedeckt. Mit seiner konischen, kurzen und leicht aufgerichteten Schnauze (Rostrum) nimmt er, über Rezeptoren, elektrische Felder wahr und ortet so potenzielle Beutetiere: das sind, nebst Krebstieren und Mollusken, vorwiegend Fische. Oberhalb seiner breiten, vorstülpbaren und sichelförmigen Maulspalte befinden sich vier seitlich abgeflachte und gefranste Barteln, die als Tast- und Geschmacksorgane dienen.
Fortpflanzung und Entwicklung
Ab einer Körperlänge zwischen 160 und 200 Zentimetern und einem Alter von 14 bis 20 Jahren (bei Rognern) – beziehungsweise 10 bis 16 Jahren (bei Milchnern) – ist der Hausen fortpflanzungsfähig. Hausen sind Frühjahrslaicher, wobei zwei Wanderformen vorkommen: die Herbst- und die Frühjahrswanderer. Die geschlechtsreifen Elterntiere, die bereits im Herbst in die Flüsse eingewandert sind, überwintern dort, setzen bei wieder ansteigenden Wassertemperaturen ihre Wanderung fort, um sich in den flussauf gelegenen Laichgebieten zwischen März und April fortzupflanzen. Die Frühjahrswanderer, die in den späten Wintermonaten in die Zuflüsse ziehen, versammeln sich in den weiter flussab gelegenen Laichgründen, um dort abzulaichen.
In Abhängigkeit ihres Körpergewichts, legt das Weibchen ihre zweihunderttausend bis acht Millionen klebrigen Eier bevorzugt in tiefe und stark durchströmte Bereiche auf hartem Untergrund ab. Nach zirka zehn Tagen schlüpfen die durchschnittlich 15 mm großen Larven und begeben sich in die Drift. Sobald sie den Dottersack aufgezehrt haben, beginnen sie aktiv Nahrung (z.B. Wenigborster, Schwebgarnelen und Flohkrebse) aufzunehmen und halten sich bevorzugt in sandig-kiesigen Bereichen auf. Bei ihrer Wanderung vom Süß- zum Salzwasser, müssen sie sich zunächst an die unterschiedlichen Salzkonzentrationen gewöhnen, bevor sie – im Donau-Delta angekommen – das Süßwasser verlassen und ins Meer wandern (Osmoreglation).
Gefährdungen
Überfischung
Historische Rechtsquellen lassen darauf schließen, dass bis ins frühe 16te Jahrhundert regelmäßig und schonungslos Hausen und andere Störarten in der Oberen Donau gefangen wurden – ein Umstand, der bereits damals zu einem drastischen Rückgang der Fänge dieser Arten führte. Der Hausen ist nicht nur ein beliebter Speisefisch gewesen; verwertet wurde nahezu der ganze Fisch: Die Hausenblase wurde zum Beispiel, aufgrund ihres hohen Kollagengehalts, zum Eindicken von Soßen, zur Herstellung von Sülzen und von Leim sowie zur Klärung von Bier und Wein verwendet. Sein Kaviar wird bis heute geschätzt und erzielt einen hohen Handelswert – ein Umstand, der die Wilderei und den illegalen Handel mit dem schwarzen Gold zu einem lukrativen Geschäft macht.
Lebensraumverlust
Mit dem Aufkommen der Industrialisierung hat die Donau, wie viele andere Flussläufe auch, vermehrt Eingriffe durch den Menschen erfahren. Die systematischen Flussregulierungen ab dem 19ten Jahrhundert, mit dem Ziel der durchgehenden Schiffbarmachung des Donaustroms, und der Ausbau der Wasserkraft haben dazu geführt, dass dem Hausen in der Oberen und Mittleren Donau jegliche Lebensgrundlage genommen wurde. Der aus dem Schwarzen Meer in die Donau einwandernde Hausen konnte einst über 2.000 Kilometer ungehindert flussauf ziehen. Heutzutage endet seine Laichwanderung nach zirka 900 Kilometern in einem der imposantesten Taldurchbrüche Europas: dem Eisernen Tor. Denn die in den 1960er und 1970er Jahren dort errichteten Laufwasserkraftwerke (Eiserne Tor I und Eiserne Tor II) sind unüberwindbare Hindernisse. Während die Errichtung von Fischwanderhilfen an beiden Laufwasserkraftwerken sowie an jenem in Gabčikovo diskutiert und geplant wird, soll 280 km flussab des Eisernen Tors ein weiteres Wasserkraftwerk gebaut werden!
Internationale Schutzmaßnahmen
Mit dem globalen Übereinkommen der Vereinten Nationen (Bonner Konvention) und dem Übereinkommen des Europarates (Berner Konvention) wurden, Ende der 1970er Jahre, staatenübergreifende Schutzmaßnahmen für wandernde Tierarten etabliert. In beiden Verträgen wurde der Hausen in die jeweiligen Anhänge aufgenommen, wobei Anhang II der Berner Konvention – diese verbietet das absichtliche Fangen und die Entnahme von Eiern – vor allem dem Schutz der Bestände des Schwarzen Meeres und der Donau gewährleisten soll. Im Jahr 2018 wurde zudem der Pan-Europäische Aktionsplan ratifiziert: alle 50 Vertragsparteien verpflichten sich damit, Maßnahmen zum Schutz der acht europäischen Störarten zu ergreifen.
Ausblick und Projekte
Das EU-Projekt LIFE-Boat 4 Sturgeon widmet sich bis 2030 dem Schutz vier vom Aussterben bedrohter Störarten in der Donau. Dazu zählen neben dem Sterlet, der bereits in einem Vorgängerprojekt im Zentrum des Interesses stand, die Arten Waxdick, Sternhausen und Hausen. Innerhalb der Projektlaufzeit sollen etwa 1,6 Millionen Störe nachgezüchtet und Jungtiere in unterschiedlichen Donau-Abschnitten ausgewildert werden. Die Haltung der Muttertiere und Aufzucht der Jungtiere erfolgt in einer schwimmenden Fischaufzuchtstation am donauseitigen Ufer der Donauinsel in Wien sowie an zwei Standorten in Ungarn und Slowenien. Mit dem Aufbau einer „lebenden“ Gendatenbank soll zudem die genetische Vielfalt erhalten werden.
Die Projektleitung unterliegt der Universität für Bodenkultur in Wien und wird gemeinsam mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, der viadonau und der Stadt Wien (Abteilung Wiener Gewässer) umgesetzt. Internationale Partner*innen sind Institutionen aus Deutschland, Ungarn, Slowenien, Rumänien, Bulgarien, Slowakei und Ukraine.
Nähere Informationen zum EU-Projekt LIFE-Boat 4 Sturgeon gibt es hier.
Flyer zum Download: