Beitragsbild Gewässer im Ausnahmezustand

Gewässer im Ausnahmezustand

Die Wissenschaft klärt auf

Es ist bereits weitläufig bekannt, dass sich nicht nur das Klima, sondern auch die Artenvielfalt in einer akuten Krise befindet. Unzählige Tier- und Pflanzenarten jeglicher Ökosysteme sind vom Aussterben bedroht oder bereits verschwunden. Süßwasserökosysteme gehören dabei zu den am stärksten bedrohten Ökosystemen weltweit, was von der Öffentlichkeit oft übersehen wird. Daher haben sich mehrere Anfang 2024 erschienene Studien diesem Thema angenommen – zwei davon möchten wir hier näher beleuchten. Zum einen wurde von den Wissenschaftlern der Biodiversitätsverlust in österreichischen Süßgewässerlebensräumen allgemein und zum anderen das Verschwinden der Süßwasserfische in Österreich im Speziellen unter die Lupe genommen. Hier ein Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse der beiden Studien.

Gefährdung

In der ersten der beiden Arbeiten wurde die Bedrohungssituation in Österreich anhand ausgewählter Tier- und Pflanzengruppen genauer untersucht. Diese Gruppen, u.a. auch heimische Fischarten, dienen als Indikatoren für den Zustand der Gewässerlebensräume.

Die Analyse hat gezeigt, dass ein erheblicher Anteil der untersuchten Arten (zwischen 50 % und 100 %) als ausgestorben oder bedroht gilt. Flusskrebse sind dabei besonders betroffen (100%), gefolgt von Fischen (62%) und Großmuscheln (73%). Insgesamt ist das Makrozoobenthos (Kleintiere am Gewässergrund) mit den meisten ausgestorbenen oder bedrohten Arten am stärksten betroffen (317 Arten), gefolgt von der ripikolen Fauna (am Ufer lebend), Wasserpflanzen und Fischen. Viele Arten sind regional ausgestorben, besonders betroffen sind hierbei Fische und Uferbewohner. Betrachtet man nun, wie in der zweiten genannten Studie, österreichische Fische etwas genauer, gelten mehr als die Hälfte der Fischarten demnach als „gefährdet“, „stark gefährdet“, „vom Aussterben bedroht“ und 8% bereits „ausgestorben“ oder „regional ausgestorben“. Deren Gefährdungszustand gemäß Roter Liste (IUCN) wurde jedoch zuletzt 2007 untersucht und die zum Teil verstärkten negativen Einflüsse lassen eine noch schlechtere Einstufung vieler Arten befürchten. Hinzu kommt, dass der Gefährdungsstatus lokal angepasster Populationen (insbesondere von Kurz- oder Mittelstreckenwanderern) in der Roten Liste nicht dargestellt wird und diese somit häufig stärker bedroht sind als angegeben. Die Studie sieht daher eine Neubearbeitung der österreichischen Roten Liste für Süßwasserfische als dringend notwendig an, um auf eine geeignete Basis für Managemententscheidung zurückgreifen zu können.

Doch nicht nur die Zahl der Fischarten ist auf dem absteigenden Ast, sondern auch die Fischbiomassen. In 65% der österreichischen Gewässer wird der gute fischökologische Zustand gemäß Wasserrahmenrichtlinie derzeit verfehlt. In 34% der österreichischen Messstellen wird das k.o.-Kriterium von 25kg/ha (kleine Gewässer) bzw. 50kg/ha (größere Gewässer) nicht erreicht. Historisch gesehen waren mehr als 100 kg/ha bis mehrere hundert Kilogramm in den größeren Fließgewässern keine Seltenheit.

Ursachen

Aquatische Ökosysteme sind stärker bedroht als terrestrische, mit erheblichen Auswirkungen durch hydromorphologische Veränderungen wie Wasserkraftnutzung und Flussregulierungen. Diese Faktoren beeinträchtigen die Morphologie, Sedimente und Hydrologie der Gewässer. Weiters tragen Urbanisierung, Schifffahrt, Trinkwasserentnahmen und landwirtschaftliche Einflüsse zur Belastung bei, verschärft durch den Klimawandel. Verschmutzung und invasive Arten können ebenso nicht außer Acht gelassen werden.

Die fischspezifischen Stressoren sind vielfältig jedoch weisen hydromorphologische Belastungen durch Regulierungen, Migrationsbarrieren und Kraftwerksbetrieb den stärksten negativen Einfluss auf die Fischgemeinschaften in allen Lebensraumtypen auf. Klimawandel, Schifffahrt, invasive Arten, Land- und Forstwirtschaft und fischfressende Prädatoren können lokal stark auf einzelne Lebensraumtypen einwirken. Die Studie hebt jedoch auch hervor, dass sich die unterschiedlichen Stressoren vielfach auch gegenseitig verstärken, besonders in größeren, anthropogen übergeprägten Gewässern kommt es daher zu kumulativen Effekten.

Schutz- und Sanierungsmaßnahmen

Eine wesentliche Erkenntnis für die Restauration (auch der Fischbestände) ist, dass die Sanierung einzelner Belastungsfaktoren meist nicht ausreicht und nur eine umfassende Sanierung aller wesentlichen Faktoren eine signifikante Erholung der aquatischen Ökosysteme bewirken kann. Für eine wesentliche Verbesserung ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig, welcher nicht nur den morphologischen, sondern auch hydrologischen Zustand (z.B. Schwall/Sunk-Betrieb) berücksichtigt. Morphologische Sanierungsmaßnahmen sind seit den 1990er Jahren im Gange, doch meist beschränken sich diese lediglich auf lokale Bereiche, umfassende Revitalisierungen sind noch selten. Langfristig erfolgreiche Revitalisierungen erfordern die Schaffung vielfältiger Lebensräume, die dynamische Bedingungen für diverse Lebensgemeinschaften bieten. Diese sind auch für Amphibien wichtig, die sich durch künstlich angelegte Kleingewässer rasch regenerieren können. Zusätzlich zu morphologischen Maßnahmen sind Nachzucht- und Besatzprogramme wichtig, um Populationen zu stabilisieren. Dies geschieht in Österreich beispielsweise bei der Flussperlmuschel und verschiedenen Störarten. Einzelne großräumige Revitalisierungsprojekte wie z.B. im Traisen-Unterlauf oder Nebengewässeranbindungen in der Donau geben jedoch Hoffnung und zeigen bereits kurz nach den Maßnahmen starke Anstiege des Fischbestandes.

Doch nicht nur Sanierung, sondern auch der Schutz von Gewässern in noch gutem Zustand ist eine wesentliche Säule. Dazu gehört einerseits der Erhalt der letzten intakten Fließgewässerabschnitte, die nicht durch Wasserkraftnutzung oder Flussregulierungen beeinträchtigt sind. Beispielsweise sind weniger als 10 % der größeren Fließgewässer in Österreich noch frei fließend. Solche Gewässerabschnitte sind jedoch z.B. für strömungsliebende Arten, wie etwa den Huchen, essenziell. Die Ausweisung solcher Gewässerstrecken bzw. jener für sensible oder stark gefährdete Arten als „No-Go Bereiche“ für weitere wasserwirtschaftliche Nutzungen ist für die Autoren der Studie unumgänglich, um der Abnahme der Biodiversität entgegen wirken zu können.

Trotz erheblicher Fortschritte in den letzten Jahrzehnten bestehen jedoch immer noch große Wissenslücken, insbesondere beim Gefährdungsgrad und den kumulativen Effekten verschiedener Belastungsfaktoren. Ein gezieltes Monitoring und Forschungsprogramme sind notwendig, um diese Lücken zu schließen und zukünftige Schutzmaßnahmen effektiv zu gestalten.

Unsere Gegenmaßnahmen

Allen Fischereibegeisterten und Naturliebhabern gehen solche Meldungen und Ergebnisse sehr zu Herzen, wissen wir doch um die Faszination und Einmaligkeit unserer Gewässer genau Bescheid. Als Landesfischereiverband wollen wir aktiv dazu beitragen, die Lebensräume unserer Gewässer zu schützen und die Fischbestände zu fördern. Mit Leidenschaft und Hingabe setzen wir eine Vielzahl von Maßnahmen und Initiativen um. Dank unserer Mitglieder können wir diese Projekte kontinuierlich ausweiten und intensivieren. Jeder, der eine gültige Tiroler Fischerkarte besitzt, leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung unserer Fischbestände und der Lebensräume in unseren Gewässern. Ihre Unterstützung macht den Unterschied und hilft, unsere Naturschätze zu bewahren und zu fördern. Es seien hier nur einige laufenden Projekte und Bemühungen des Landesfischereiverbandes aufgezählt, damit Sie sich einen Überblick verschaffen können:

  • Planung und Begleitung von Revitalisierungen und fischökologischen Verbesserungen an unseren Gewässern. Hier konnten bereits einige wichtige Projekte umgesetzt werden, wobei derzeit mehrere Planungen und Erhebungen laufen
  • Nachhaltige Initiierung von wilden Laichtierbeständen mittels Eibesatz von Bachforelleneier („Cocooning“ und „Artificial Nests“)
  • Artenschutzprojekt Inn-Äsche und Tiroler Urforelle, bei dem z. B. heuer über 100.000 heimische Äschensetzlinge ausgewildert werden konnten (Dieses Projekt wird vom Land Tirol und der TIWAG unterstützt)
  • Unterstützung von fischereilichen Initiativen am Lech und an verschiedenen Seen Tirols; Projektpartner beim großen EU-Interreg Projekt InnSieme Connect
  • Vertretung der Fischerei in Behördenverfahren und vor Gericht, um für unsere Fischbestände und Gewässer einzustehen
  • Bewusstseinsschaffung für die Notwendigkeit intakter Fischbestände und lebendiger Gewässer (Öffentlichkeitsarbeit, Aus- und Fortbildungen, etc.)
  • u.v.m.

Studien: